Die Arzneitherapie der Taditionellen Chinesisen Medizin (TCM)
Die Chinesische Arzneitherapie (auch Phytotherapie genannt) gehört zusammen mit der Diätetik zu den "inneren Verfahren". In China ist sie hinsichtlich der Verbreitung und dertherapeutischen Reichweite mit Abstand die wichtigste Behandlungsmethode der TCM. Bei der Arzneitherapie werden Rezepturen aus Pflanzen und Pflanzenteilen, seltener auch aus mineralischen Naturstoffen oder tierischen Bestandteilen, verordnet. Vom Aussterben bedrohte Tiere werden in der seriösen TCM nicht verwendet. Die häufigste Zubereitungsform chinesischer Arzneimittel ist das Dekokt, also die Abkochung. In den chinesischen Arzneibüchern werden einige Tausend Einzelmittel (Arzneidrogen) beschrieben. Diese zum Teil recht ausführlichen pharmakologischen Darstellungen verwenden allerdings Begriffe und Anschauungen der traditionellen chinesischen Krankheitslehre, die einem westlichen Mediziner nicht geläufig sind.
Wer also hierzulande chinesische Arzneirezepturen verordnen möchte, muss zuvor inhaltlich ein "Zweitstudium" absolvieren, dessen Curriculum wesentlich umfangreicher ist als das der üblichen Akupunktur-Ausbildungsgänge. Er muss lernen, in Gegensätzen von Yin und Yang zu denken, muss beispielsweise verstehen, was die Funktionskreise "Leber" oder "Milz" besagen, und muss mit dem Gedanken der Krankheitsfaktoren wie "Wind" oder "Kälte" etwas anfangen können. Schließlich soll er die diagnostischen Verfahren der TCM beherrschen und in der Lage sein, individuelle Gesundungsprozesse einzuleiten und arzneitherapeutisch zu begleiten. Dass der Phytotherapeut seine Mittel mitsamt ihrer Gegenanzeigen kennt, versteht sich von selbst. Ohne die skizzierten Kenntnisse stochert der Therapeut im Nebel herum, der therapeutische Nutzen seiner Verordnungen ist unsicher und Gefährdungen des Patienten sind nicht ausgeschlossen. Die Chinesische Arzneitherapie eignet sich deshalb nicht für die Selbstbehandlung. Ganz im Gegensatz dazu stehen die äußeren Verfahren.
Bemerkungen zur Geschichte der Chinesischen Phytotherapie
Eine wirkliche Kenntnis der Traditionellen Chinesischen Arzneitherapie, die über ein rein kulturhistorisches Interesse hinausgeht, besitzt der Westen erst seit höchstens vierzig Jahren. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um das ausgereifteste phytotherapeutische System handelt, das die Menschheit hervorgebracht hat. Die Chinesische Phytotherapie verdankt ihre beispiellose Reife unter anderem der Tatsache, dass sie sich über einen langen Zeitraum hinweg kontinuierlich entwickeln konnte.
Das war bei der europäischen Medizin nicht der Fall. Sie erfuhr in den letzten zweieinhalbtausend Jahren eine Reihe von Paradigmenwechseln, bei denen das bis dahin angesammelte medizinische Wissen mehr oder weniger dem Vergessen preisgegeben wurde. Vor allem die Moderne mit ihrem Fortschrittsdenken hat den fast zweitausend Jahre alten Erfahrungsschatz der europäischen Medizin praktisch über Bord geworfen. In China folgte die Wissenschaftsentwicklung dagegen dem Prinzip des Sowohl-als-auch: Neue medizinische Ideen und Systeme wurden dem Alten einfach an die Seite gestellt. Das Alte wurde nicht abgeschafft, im Gegenteil, oft berufen sich die Neuerer auf klassische Autoren, um ihre eigenen, umstürzlerischen Ideen zu rechtfertigen. Undenkbar bei uns. Kein moderner Schulmediziner bezieht sich ernsthaft auf Hippokrates, Galen, Avicenna oder Paracelsus.
Der tolerante Umgang der chinesischen Kultur mit dem Erfahrungsgut älterer Generationen, der dem erfahrungswissenschaftlichen Grundcharakter der Medizin sehr entgegenkommt, hat in der Phytotherapie über die Jahrtausende ein wahres Schatzhaus von Beobachtungen, Erkenntnissen und therapeutischen Schulen entstehen lassen. Aus diesem Schatz können sich jede Zeit und jede Kultur bedienen.
Wie wird die Wirkung chinesischer Arzneidrogen beschrieben? Zwei Beispiele:
Die Wirkbeschreibung der Arzneimittel in den chinesischen Arzneibüchern folgt einem einheitlichen Schema und unterscheidet sich deutlich von westlichen Vorstellungen über Arzneimittelwirkung. In der westlichen Medizin wird eine Krankheit meist mit dem befallenen Organ oder Gewebe identifiziert. Dementsprechend wird Arzneimittelwirkung meist organbezogen verstanden. So wirkt das Schöllkraut auf die Gallenwege, der Fingerhut auf das Herz, Furosemid regt die Wasserausscheidung über die Niere an und Diclofenac hemmt Entzündungen und Schmerzen in den Gelenken.
Der chinesische Krankheitsbegriff ist dagegen organübergreifend. Krankheiten sind Allgemeinstörungen. Das Organ ist in diesem Fall lediglich Gastgeber oder Opfer der Krankheit. Die Chinesische Medizin hat Begriffe entwickelt, mit denen sich die Wirkung von Heilpflanzen (oder Nahrungsmitteln) auf den gesamten Organismus beschreiben lässt. Von den zahlreichen Kategorien, in denen die Wirkung der chinesischen Arzneidrogen beschrieben wird,sollen hier zwei vorgestellt werden: der Geschmack und die Temperatur.
Der Geschmack
Geschmackszellen reagieren auf eingenommene Stoffe im Prinzip genauso wie alle anderen Körperzellen. Sie haben aber zusätzlich einen Draht zum Gehirn, was erfreulicherweise zu einer schnelleren Informatinsweiterleitung führt. Die Geschmacksempfindung liefert deshalb Informationen über die Wirkung eines Stoffes auf den ganzen Organismus. Die Chinesische Arzneimittellehre nutzt diesen Umstand zur Wirkbeschreibung der Arzneikräuter. Die Skala der Geschmacksqualitäten umfasst (von Yang nach Yin): scharf, süß, neutral, sauer, bitter und salzig. Folgende Zuordnungen haben sich bewährt undlassen sich zum Teil über eine "Geschmacksmeditation" nachvollziehen:
- Scharfes regt den Qi-Fluss an, treibt nach oben und außen, fördert die Sekretion und kann zum Schwitzen bringen. Im Übermaß laugt es aus, verbraucht Qi und Säfte.
- Süßes nährt und harmonisiert. Im Übermaß führt es zu Verschlackung und innerer Hitze, macht müde, dick und aufgeregt.
- Saures zieht zusammen und verhindert so eine übermäßige Verausgabung von Qi und Säften. Im Übermaß behindert es den Stoffaustausch und die Kommunikation.
- Bitteres senkt das Qi ab, beruhigt, trocknet und leitet über die unteren Organe ab. Im Übermaß macht es trocken und vitalitätslos.
- Salziges wirkt erweichend und auflösend in der Tiefenschicht. Im Übermaß erzeugt es Gedunsenheit und lockert die Verbindung zwischen Yin und Yang.
Der Geschmack "neutral" hat eine Sonderrolle. Er belastet den Organismus nicht mit neuen Impulsen einer bestimmten Wirkrichtung, sondern öffnet einen Raum, in den das, was bereits vorhanden ist, eintreten kann, um bearbeitet und ausgeschieden zu werden. Die Chinesen nennen diesen Vorgang das Trennen von Trübem und Klarem. Das Trinken von heißem Wasser und das Essen von dem in China üblicherweise ungewürzten Reises erfüllt diese Aufgabe ebenso wie die Zugabe von neutral schmeckenden Pflanzen zur Arzneirezeptur.
Auch die Alltagsmeditation bzw. das Tagträumen hat auf einer anderen Ebene ein vergleichbares Wirkprofil. Ein Beispiel: Nach der Arbeit. Ich setze mich in den Sessel, ohne Fernsehen oder Zeitung, ohne input. Alsbald läuft ein Film ab, mein eigener Film. Erinnerungen steigen hoch, angenehme wie unangenehme. Mein Gefühlsleben kommt in Bewegung. Wut, schlechtes Gewissen, Kummer, aber auch Freude, Dankbarkeit und Zufriedenheit. All diese Emotionen sind wie Etiketten an Erlebnisse und Begebenheiten angeheftet, die ich in meinem Inneren gespeichert hatte. Das Erinnern schafft also etwas Ordnung in meinem Seelenleben und bringt Klarheit in den trüben Wust in meinem Inneren.
Deshalb sind all jene nicht gut beraten, die zur Entspannung und Ablenkung nach der Arbeit den Fernseher anschalten, weil sie die Mühsal dieses Prozesses scheuen. Sie sind in Gefahr, "inneren Schleim" anzusammeln und behindern damit die innere Kommunikation. Ähnliches gilt für den Geschmack. Das Neutrale - nicht scharf, nicht süß, nicht sauer, nicht bitter, nicht salzig - wirkt klärend. Diese Klarheit ist hilfreich, wenn ich entscheiden soll, was ich brauche. Mit einem wachen Geschmackssinn verfügen wir über ein feines Sensorium dafür, was unserem Körper in seiner jeweiligen Verfassung bekommt. Die Chinesische Phytotherapie macht sich das zunutze. In der Regel sollte eine Arznei dem Patienten nicht zuwider sein. Wird sie als deutlich unangenehm empfunden, ist das häufig ein Zeichen dafür, dass die Arznei abgeändert werden muss.
Das Temperaturverhalten
Entsprechend ihrer wärmenden oder kühlenden Wirkung auf den Organismus sind alle Arzneimittel einer siebenstufigen Skala von kalt (Yin) über neutral bis heiß (Yang) zugeordnet. Im Verlauf von Krankheiten bilden sich oft Kälte- oder Hitzezustände aus. Diese entsprechen nicht immer der subjektiven Temperaturwahrnehmung, sind aber symptomatisch klar definiert und können ihren Schwerpunkt mal mehr im Psychischen ("er kocht vor Wut") und mal mehr im Körperlichen (z.B. hohes Fieber) haben.
Man kann - aber nur bei stabiler körperlicher Verfassung - diese Wirkungen im Selbstversuch erproben. Nach Einnahme eines "warmen" Arzneimittels fühle ich mich angenehm warm. Verdauung, Stoffwechsel und Durchblutung werden angeregt. Ich bin wach, lebhaft und kommunikationsfreudig. Eine Überdosierung bringt mich zum Schwitzen, es treten unangenehme Hitzegefühle auf, ich kann meinen Redefluss nicht mehr steuern, werde erregt und mein Schlaf ist gestört. Schließlich folgen Austrocknung und völlige Erschöpfung. "Kühlende" Arzneimittel wirken in der entgegengesetzten Richtung: vom Gefühl der Erfrischung bis zum permanenten Frieren und zur Erstarrung von Stoffwechseldynamik und Emotionalität.
So leicht es für gesunde Menschen ist, diese Wirkungen durch das Trinken kühlender oder wärmender Arzneien im Selbstversuch zu erfahren, so unübersichtlich reagieren Menschen mit chronischen Krankheiten. Weil der Organismus im Verlauf einer Krankheit immer wieder physiologische Hitze gegen innere Kälteblockaden mobilisiert und umgekehrt Hitzezustände Kälte-Reaktionen hervorrufen können, finden wir bei chronisch Kranken meist beide Qualitäten nebeneinander. Die Kombination von kühlenden und wärmenden Pflanzen in einer Rezeptur kann helfen, derartig verschachtelte Hitze-Kältezustände aufzulösen. In den Arzneibüchern wird die Abteilung der kühlenden Arzneimittel in sieben Untergruppen unterteilt, je nachdem, in welcher Schicht gekühlt wird und ob mit dem Kühlen gleichzeitig getrocknet oder befeuchtet werden soll.
Die Praxis der Arzneitherapie
Einstieg in die Behandlung
In der chinesischen Diagnostik werden alle Sinne genutzt, um ein möglichst umfassendes Bild vom Patienten und seiner Krankheit zu gewinnen. Jede Lebensäußerung des Patienten kann dabei helfen, Klarheit über die Prozesse in seinem Inneren zu erlangen. Dazu können die Stimme, die Qualität der Ausscheidungen, das Temperaturempfinden, die Stimmungslage oder der Schlaf gehören. Das ausführliche diagnostische Gespräch wird durch die Betrachtung der Zunge und die Puls-Tastung ergänzt.
Nun ist es Aufgabe des Therapeuten, in der Fülle der diagnostischen Informationen den roten Faden zu finden. Wo liegen die offenbaren oder heimlichen Wendepunkte der Biographie, an denen immunologische oder psychische Belastungen die Vitalfunktionen von der richtigen Bahn abgebracht haben? Und welche Arzneirezepturen können dem Organismus helfen, diese Bahn wiederzufinden?
Die schließlich verordneten individuellen Rezepturen aus bis zu acht Einzelmitteln (in China bis zu vierundzwanzig), werden als Kräuterpäckchen in der Apotheke bezogen. Sie werden nach einer genauen Vorschrift vom Patienten (oder vom Apotheker) abgekocht und im Kühlschrank gelagert. Sie werden möglichst gleichmäßig über den Tag verteilt eingenommen, nachdem der kühlschrank-kalte Extrakt mit heißem Wasser verdünnt wurde. Wenn die verordnete Menge nach ein bis drei Wochen aufgebraucht ist, wird Kontakt zum Therapeuten aufgenommen, um zu klären, ob die Rezeptur verändert werden muss oder einfach wiederholt werden kann.
Arzneitherapie als dialogischer Prozess
Die chinesische Arzneibehandlung lebt vom Dialog zwischen Arzt und Patient. Der Arzt muss regelmäßig erfahren, welche Veränderungen der Patient unter der Einnahme der Arznei wahrnimmt. Gleichzeitig muss der Stand der Therapie geklärt und die zu erwartenden Entwicklungen mit den nächsten Rezepturen besprochen werden.
Zunächst sind es häufig Ausleitungsvorgänge über Darm und Blase, die gezielt angeregt werden. Spürt der Patient, wenn diese entlastenden Prozesse in Gang kommen, auch Erleichterung auf anderen Gebieten? Wird er ruhiger? Wird er klarer? Bemerkt er eine Veränderung seiner Schmerzen? Wird das Temperaturempfinden normalisiert? Häufig stellt sich gerade in der Anfangsphase der Therapie eine gesteigerte Traumaktivität ein. In den Träumen können Dinge, Vorgänge oder Personen auftauchen, die weit in der Vergangenheit liegen und längst vergessen waren. Wenn der Patient müde wird, ist dies in der Regel ein gutes Zeichen. Die Anregung der inneren Aufräumvorgänge bindet nämlich Vitalenergien.
Kommt der therapeutische Prozess ins Stocken oder treten umgekehrt Fehlaktivierungen wie Unruhe, starkes Schwitzen oder allergieähnliche Überreaktionen der Schleimhäute auf, ist es Zeit, die Rezeptur zu verändern.
Indikationen
Wie bei einer so tiefgreifend wirksamen Methode nicht anders zu erwarten, lassen sich die meisten Krankheiten mit guter Aussicht auf Erfolg behandeln. Das Behandlungsideal der klassischen TCM - gefährliche Entwicklungen so frühzeitig zu erkennen, dass leichte therapeutische Impulse ausreichen, um die sich anbahnende Abweichung zu korrigieren und die Balance wiederherzustellen - gilt vielen als Markenzeichen der alten chinesischen Medizin. Leider sehen wir TCM-Therapeuten unsere Patienten in der Regel erst dann, wenn sie die Möglichkeiten der herkömmlichen Medizin ausgeschöpft haben, d. h. sehr viel später, als es dieser Idealvorstellung entspricht.
Und jetzt zeigt sich das Erstaunliche: Der in der chinesischen Krankheitsauffassung so zentrale Entwicklungsgedanke hilft nicht nur im Frühstadium einer Erkrankung. Er bewährt sich oft genug auch in aussichtslos scheinenden Endphasen, indem er es ermöglicht, die Krankheitsentwicklung in einer rückwärts gewandten Perspektive diagnostisch bis zu den anfänglichen Wurzeln zurückzuverfolgen und therapeutisch aufzuarbeiten. Gute Erfolgsaussichten bestehen zum Beispiel bei folgenden Diagnosen: Kopf- und Rückenschmerzen, Adipositas, Arthrose, Darmentzündung, Asthma, Neurodermitis, Frauenkrankheiten, Schlafstörungen, Depressionen, Panikattacken, Polyneuropathie und Restless-Legs-Syndrom.
Die Grenzen der Methode zeigen sich weniger im Hinblick auf bestimmte Diagnosen als in der individuellen Behandlungskonstellation. Relative Behandlungshindernisse sind die langjährige Einnahme von Cortison, Psychopharmaka, Schmerzmitteln usw., die mangelnde Fähigkeit zum dialogischen Vorgehen und die fehlende Bereitschaft, die Einnahme vertrauter Medikamente zu hinterfragen.
Nebenwirkungen
Die Frage nach den Nebenwirkungen chinesische Arzneimittel ist nicht leicht zu beantworten. Sie entstammt der Sichtweise der westlichen Pharmakologie. Diese unterscheidet zwischen erwünschten und unerwünschten Wirkungen von Medikamenten. Die einen stehen außen auf der Tablettenpackung, beispielsweise "gegen Kopfschmerzen", die anderen auf der Packungsbeilage, etwa "kann zu Magenblutungen führen".
Diese Einteilung ist der TCM fremd. In den Arzneibüchern werden die Wirkungen der Pflanzen auf den ganzen Organismus beschrieben. Diese Beschreibungen enthalten die Erfahrungen, die chinesische Ärzte im Verlaufe von vielen hundert Jahren mit den einzelnen Mitteln gesammelt haben. Ob eine Veränderung, die ein Patient unter einer Pflanzenzubereitung erfährt, als erwünscht oder unerwünscht eingestuft wird, hängt von der diagnostischen Stimmigkeit der Verordnung ab. Wird beispielsweise die Kälte hervorrufende Scrophularia-Wurzel einem Patienten verabreicht, der an "innerer Kälte" leidet, dann wird er mit Durchfall, Übelkeit und anderen "Kältesymptomen" reagieren. Die Frage der Nebenwirkungen ist also eine Frage der korrekten Diagnosestellung.
Es gibt jedoch zwei Situationen, in denen tatsachlich unangenehme und aus Patientensicht unerwünschte Reaktionen unter der Arzneitherapie auftreten können. Einerseits können zu Beginn der Einnahme eines neuen Dekoktes Frühreaktionen auftreten. Der Organismus muss sich an die therapeutischen Impulse der Arzneien anpassen und reagiert mit leichtem Unwohlsein, ungewohnten Temperaturempfindungen und Ähnlichem. Diese Erscheinungen sollten in nerhalb von drei Tagen abgeklungen sein. Andernfalls ist die Richtigkeit der Rezeptur zu hinterfragen. Die anderen sind Beschwerden, die durch die therapeutische Mobilisierung von Schlacken verursacht werden, wie Müdigkeit, Kopfschmerzen und Blähungen. Auch diese Beschwerden sind vorübergehender Natur und können als positives Zeichen der Arzneiwirkung gewertet werden.
Arzneimittelsicherheit
In Deutschland kommen überwiegend getrocknete Pflanzen oder Pflanzenteile, wie Wurzeln, Blätter, Blüten, Knollen zur Anwendung. Die Apothekerin spricht in diesem Zusammenhang von Rohdrogen. Diese Pflanzen werden in China angebaut, zerkleinert, bei Bedarf aufgearbeitet und getrocknet, bevor sie schließlich dem europäischen Importeur übergeben werden. Zwar ist das Qualitätsbewusstsein der Chinesen, was ihre Heilpflanzen betrifft, sehr hoch, aber es gibt überall schwarze Schafe und natürlich auch die Möglichkeit von Verwechslungen. Die Qualität einer Rohdroge wird nach Kategorien beurteilt, von denen die drei wichtigsten hier genannt seien:
- Identität: Ist das Medikament, das der Patient erhält, mit dem auf der Verordnung identisch?
- Beimengungen: Hier geht es vor allem um Pestizide, Schwermetalle und Pilzgifte.
- Arzneiliche Qualität: Stimmt beispielsweise die Optik der Arzneiwurzel ( strotzt sie vor Vitalität oder sieht sie schlaff und krank aus)? Stimmen Farbe und Geruch mit der Referenzdroge überein? Lassen sich (in Einzelfällen) bestimmte Inhaltsstoffe nachweisen?
In den letzten Jahren haben einzelne Zwischenfälle bei der Anwendung von chinesischen Arzneimitteln für großen Medienaufmerksamkeit gesorgt. Auch wenn die Kritik an der Chinesischen Arzneitherapie damals über das Ziel hinausgeschossen ist, hat sie doch das öffentliche Bewusstsein für die Qualitätsfrage geschärft und die Pharmaziebehörden in Deutschland wachgerüttelt.
Inzwischen konnte sich das folgende Verfahren zur Qualitätssicherung weitgehend durchsetzen: Die Arzneien sind apothekenpflichtig. Der Importeur lässt die Importware nach den oben genannten Kategorien engmaschig durch entsprechende Institute überprüfen und zertifizieren. Der Apotheker bezieht nur zertifizierte Ware. Die deutschen Pharmazieräte kontrollieren die Apotheken, die Importeure und sogar die Lieferanten in China. Wer sein chinesisches Arzneirezept also über eine Apotheke bezieht, kann sich darauf verlassen, Qualität zu erhalten.
Ist die Chinesische Arzneitherapie in Europa möglich?
Anbau von Heilpflanzen in Bayern
In China werden die Arzneikräuter üblicherweise um das Fünf- bis Zehnfache höher dosiert als es für unseren Patienten zuträglich ist. Diese letztlich rätselhafte Diskrepanz zwischen westlichen und östlichen Patienten ist auch in China seit Jahrzehnten bekannt und wirft die Frage auf: Kann die Chinesische Arzneitherapie, so wie sie in China praktiziert wird, ohne Wenn und Aber auf europäische Verhältnisse übertragen werden? Die Antwort - ein klares Nein - hat vor fast vierzig Jahren zur Gründung der DECA geführt. Die ärztliche Arbeitsgemeinschaft arbeitet intensiv an einer Anpassung der chinesischen Behandlungskonzepte an die Gegebenheiten des Westens. Das Ergebnis sind Arzneirezepturen, die nicht nur niedriger dosiert, sondern mit höchstens acht Einzelmitteln auch überschaubarer komponiert sind als die traditionellen Rezepte aus China, die zwanzig Pflanzen und mehr enthaltenden. Diese moderne, gleichzeitig wirksame und nachvollziehbare Behandlungsmethodik hat in Deutschland unter anderem die Gründung von zwei Kliniken ermöglicht, in denen Patienten mit schweren chronischen Krankheiten behandelt werden.
Vor etwa fünfundzwanzig Jahren führte die damalige Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft einen mehrjährigen Anbauversuch mit ausgewählten chinesischen Arzneipflanzen durch. Heute heißt sie Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung .
Die Ergebnisse waren so vielversprechend, dass inzwischen einige qualitätskontrollierte chinesische Kräuter von deutschen Bauern beziehen werden können und in unserer Klinik zum Einsatz kommen.
Wie man sieht, ist die Chinesische Arzneitherapie dabei, sogar in der europäischen Landwirtschaft Fuß zu fassen. Warum auch nicht? Wenn wir erwarten, dass chinesische Ärzte westliche Chirurgie und Arzneitherapie beherrschen, warum sollten wir Europäer nicht in der Lage sein, uns in das überlieferte Wissen Chinas einzuarbeiten und zum Wohle unserer Patienten anzuwenden? Europa verdankt seine große geistige Vitalität nicht zuletzt der Fähigkeit, fremdkulturelle Einflüsse aufzunehmen und zu verarbeiten. Im Mittelalter waren es persische und arabische Mediziner, von denen maßgebliche Impulse für die Entwicklung der europäischen Medizin ausgingen. Heute könnte das "große Schatzhaus" der chinesischen Medizin diese Rolle einnehmen. Wir holen uns dort, was dem Westen zu fehlen scheint, und passen es unseren Bedürfnissen an, indem wir es weiterentwickeln.
Chinesiche Medizin für den Westen
Westliche Patienten reagieren anders auf Chinesische Medizin, als Menschen des Ostens. So werden hier im Westen meist geringere Arzneidosierungen eingesetzt und die Rezepturen enthalten weniger Bestandteile. Ähnliches gilt für die Akupunktur. Der chinesische Patient verlangt nach Nadelreizen, bei denen ein europäischer Patient die Flucht ergreift. TCM-Experten müssen die chinesischen Empfehlungen daher genau modifizieren. Lesen Sie hier alles über die Chinesische Medizin im Westen
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