Schmerzen

Mechthild Rüther
Journalistin, Jahrgang 1953

Zwölf Jahre lang hatte ich stärkste Gesichtsschmerzen. Ich hatte Hilfe gesucht bei Allgemeinärzten, HNO- und Zahnärzten, bei Kieferchirurgen, Neurologen und Psychiatern; drei Jahre lang hatte ich eine Psychotherapie gemacht, die sehr hilfreich war – bloß: die Schmerzen blieben. Chinesische Medizin kannte ich auch, hatte sie aber immer etwas halbherzig und nebenher angewandt – und schaffte es einfach nicht, konsequenter zu sein. Schließlich wollte ich „funktionieren“: in Beruf und Familie sehr engagiert, ehrgeizig, allen und allem zugewandt – Zusammenbrüche waren für mich Niederlagen, keine Notsignale.

Vor fast fünf Jahren der Entschluss: stationär in den Steigerwald – als letzte Rettung? Ich bin skeptisch, habe schon so viel probiert. Hier vier Wochen Auszeit – welcher Luxus! Anfangs geht’s mir ganz gut, ich bin sehr müde, schlafe viel, die Dekokte sind o.k., die Akupunkturen tun gut – andere PatientInnen sind viel schlimmer dran.

Nach 12 Tagen kommt die erste heftige Schmerzattacke: vom Nacken rechts über den Hinterkopf zieht der Schmerz, pocht sofort furchtbar in der rechten Wange. Ich bin außer mir, schlafe miserabel, habe große Angst. Das halte ich nicht aus, das muss sofort aufhören, die sollen mir was geben, wozu gibt es starke Schmerzmittel? Ich bin wütend und hilflos! Ich sehe keinen Sinn in diesem Leiden, alte Erinnerungen und Ängste holen mich ein. Ich fühle mich wie ein Junkie auf Entzug – furchtbar!

Tatsächlich vergeht der schlimmste Schmerz durch einen Notfalldekokt und eine Akupunktur – die Anspannung löst sich. In der Klinik ist vieles so anders: ich fühle mich getragen und unterstützt; niemand will wir ausreden, dass es mir schlecht geht, ich muss mich nicht zusammenreißen. Ich darf mich den Schwestern und Therapeuten hier zumuten, bin nicht lästig, obwohl ich ihnen doch Arbeit mache. Ich weine viel – nach zwei Tagen ist mir leichter.

Wie gut die Körpertherapie tut: ich bewege mich gerne, spüre Energie und Kraft. Deutlicher als in der Psychotherapie erlebe ich: ich habe auch starke Seiten; auf die kann ich stolz sein. Früher hat man mir einreden wollen, ich hätte eine „depressive Grundstruktur“ – eigentlich eine Frechheit. War ich je so nah bei mir? Ich fühle mich weich und empfindsam, aber auch kräftig und frei. Beides darf sein; ich bin o.k.

„In der Krankheit stecken Vergangenheiten“

In der vierten Woche wieder lauernde, tiefsitzende Schmerzen in Gesicht und Nacken – und Panik: kommt wieder alles zurück? Was muss ich noch aushalten: warum ich, warum jetzt, warum überhaupt? Wie oft in den letzten 12 Jahren habe ich mich das gefragt? Diese Schmerzen: „mein schlimmster Feind“; mein Leben gerät immer wieder aus dem Takt; es passt ja nie. Gefühle tiefer Mutlosigkeit und Resignation – und Wut. Und wieder die große Unterstützung durch Schwestern und Therapeuten: Zuspruch und Nadeln, neue Dekokte und Shiatsu, viel Ruhe. Noch einmal gehe ich durch ein tiefes Tal, durch Angst und Schmerz. Aber ich fühle mich gehalten. Der Schmerz vergeht.

Knapp fünf Jahre später schaue ich zurück: dreimal war ich stationär hier, das letzte Mal vor knapp zwei Jahren. Niemand hat mir Spontanheilung versprochen – und doch habe ich heimlich ein wenig darauf gehofft. Es hat nicht geklappt. Immer noch brauche ich ambulante Behandlung und trinke Dekokte; manchmal würde ich sie gern weglassen; aber das ist „Jammern auf hohem Niveau“: die hoch wirksamen Tees sind meine „Krücke“; sie helfen mir, gesünder zu leben und zu werden.

Heute lebe ich anders. Mein Motto: „Weniger – langsamer – mit mehr Genuss“. Ich sorge für mehr Ruhe und Schlaf, arbeite weniger und mache weiterhin (fast) jeden Tag Qi Gong und Meridian-Dehnungsübungen. Drei Jahre lang habe ich eine Shiatsu-Ausbildung gemacht und arbeite nebenberuflich als Shiatsu-Praktikerin. Ist das nicht zu viel? Nein, im Gegenteil: ich erlebe mich darin ruhig, kräftig und stabil. Und ich kann etwas davon weiter geben, was ich gelernt und selbst erfahren habe. Und die Schmerzen: Anfangs kamen sie noch ab und zu, in größeren Abständen und weniger stark. Letztes Jahr, 2005, waren es zwei Schmerzattacken von je zwei Tagen. In diesem Jahr hatte ich einen Tag Schmerzen. Heute lähmen sie mich nicht mehr, ich habe keine Angst mehr davor – sie gehen ja wieder.

Und das Wichtigste: Meine Lebensfreude ist wieder da. Was und wo wäre ich ohne die lange und konsequente Behandlung? Ich bin sehr dankbar – für den „Last Exit Steigerwald“ !

Mechthild Rüther, Oktober 2006

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